Lenin und eine nicht eingetroffene Zukunft

Der Lenin Park ist nichts Grandioses,wie ich mir vorgestellt habe. Lenin steht auf einem Podest zwischen Palmen und anderen wunderschönen Bäumen,die ich nicht einordnen kann. Er schaut in Richtung Süden,oder in die Richtung einer nicht  eingetroffenen Zukunft? 

So ist das auch hier. Ich denke,die Vietnamesen haben nach Ho Chi Minhs Rede am Hoan Kiem See gehofft,dass nun die Zukunft eintreffen würde, nachdem die Franzosen endlich aus dem Land waren,in dem sie von Anfang an nichts verloren hatten. Aber diese Zukunft trat nie ein. Ich bin zum ersten Mal in Vietnam,aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los,dass  so,wie ich es heute erlebe,es seit langem vor meinem Besuch war und noch lange Zeit so bleiben wird…

Die Angst vor dem Wasser aus dem Wasserhahn kann ich euch nehmen. Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten hier, weder beim Zähneputzen,noch beim Trinken. Also entweder habe ich einen stählernen Magen,oder man kann das Wasser tatsächlich trinken. Ich tendiere zum Letzten. 

Das Ho Chi Minh Mausoleum habe ich nicht fotografiert. Ich durfte nicht. Aber es war wie beim Mausoleum Lenins in Moskau. Die Menschen kommen scharrenweise und bekunden ihre Trauer. Ich verstehe es nicht. Weder in Russland,noch hier. Man legt Blumen zu Füßen eines verstorbenen Menschen,der eigentlich nichts Großes hervorgebracht hat. Aber zum Glück muss ich es auch nicht verstehen. 

Ich befinde mich gerade auf dem Bia Hoi Corner. Im Prinzip das Rotlicht Viertel von Hanoi und gleichzeitig die legendäre Bier Straße. Aber abgesehen von Sex,Drugs and Rock’n’Roll gibt es hier tolle Bars. In einer davon sitze ich gerade und genieße meinen köstlichen 1,50 Euro teuren Singapore Sling Cocktail. Die Preise sind unglaublich. 

Meine letzten Stunden vor dem Abflug aus Hanoi verbringe ich im Café mit der köstlichen Suppe. Heute ist die Mutter außer Haus,aber die Oma ist da. Ich habe mir ein Iced Latte bestellt. Als der kurz davor zu pubertierende Junge mir meine Bestellung gebracht hat, schaute die Oma sich das an und wollte auch probieren. Hat sie noch nie. Er schmeckte ihr und sie lachte,als sei es ihr schönstes Geschenk.

Beim Laufen durch die Straßen,auf der Suche nach meinem Hotel stoße ich dann doch aauf etwas, was mich in Rage bringt. Es sind gebratene Hunde. 

Ich habe mich vorher noch gefragt,warum die meisten Hunde hier kahlrasiert sind. Jetzt kenne ich diese traurige Antwort. Ich bin nicht hier,um die Menschen zu verurteilen,aber es ließ mich nicht kalt. Das war ein grausamer Anblick!

Und doch bin ich im großen und ganzen sehr froh, hier gewesen zu sein. Es ist schwierig,es ist traurig,aber es macht verständnisvoller für’s Leben. Und nachzuvollziehen,warum die Menschen hier so sind,wie sie sind, darum geht es doch in einem Urlaub. Zu sehen, wie sie leben und ihren Alltag meistern,darum geht es bei einer Reise in ein fremdes Land. Und das habe ich getan. 

Nudelsuppe und viel zu enge Gassen

Ok, Vietnam löst Thailand in der Kategorie“schlechter Kaffee“ ab. So etwas wiederliches hab ich noch nie getrunken. Wobei der Nachgeschmack nicht schlecht ist. Nur das Schlucken fällt schwer. Grauenhaft!

Ich bin heute um 6 Uhr früh aufgestanden und wollte eigentlich direkt los,aber mein Körper wollte anders. Deswegen bin ich noch bis 9 liegen geblieben. Jetzt habe ich noch genügend Zeit um lecker essen zu gehen.
Und das mach ich auch. Eine traditionelle Nudelsuppe mit Rind. Die Nudeln sind weiß. Und es wird sehr viel Grünzeug beigelegt,aber genau so wollte ich das auch. 

Während ich esse und feststelle,wie zart die Nudeln sind und im Prinzip auf der Zunge zergehen, diskutiert die Besitzerin des süßen Cafés mit ihrem Sohn,der gleichzeitig auch Kellner ist. Mit der Kinderarbeit sieht es in Vietnam sehr schlimm aus. Kinder laufen mit Körben herum,in denen sie allerlei Krimskrams haben,das sie versuchen den Touristen anzudrehen. Mein Herz würde ihnen am liebsten alles abkaufen,aber ich weiß,dass sie dann nur in diesem Vorgehen bestärkt werden,nicht die Schule zu besuchen,sondern Geld für sich und die Familie zu verdienen. 
Mit Etikette haben es die Vietnamesen auch nicht besonders. In der Zeit,in der ich im Café saß,hat irgendjemand mindestens 5 Mal gefurzt. Ich bin für vieles offen,aber das erträgt meine pedantisch-besaitete Ader nicht. 
Die quirlige Rezeptionistin war heute wieder so unglaublich freundlich,dass ich gewillt bin zu glauben,dass der ganze geschriebene Mist in den Foren einfach nicht stimmen kann. 

Die Häuser stehen eng beieinander. Ich habe in Bangkok winzige Gassen zwischen Häusern gesehen und dachte das ist das Limit. Ich habe mich schwer getäuscht 🙂 

Bei einigen Gassen bekomme ich schon vom Gucken Platzangst und, ehrlich gesagt, glaube ich,dass ich da mit meinen Proportionen gar nicht hindurchpasse. 

Ich probiere es erst gar nicht. 

Aber ein Bild davon, geht immer. 

Das Rauchverbot in Gaststätten haben die Vietnamesen ignoriert. Zum Glück! Aber es ist hier auch nachvollziehbar, überall sind Klimaanlagen und Ventilatoren,da ist der Rauch eh schnell wieder raus. Jetzt sehe ich den zweiten Jungen,der hat mir die Suppe zubereitet. Und er ist auch maximal 13 Jahre alt. 
Ein zwiespältiges Gefühl ist es,hier zu sein. Das hätte ich mir vor einigen Monaten noch gar nicht denken können. Übrigens Zigaretten kosten mich hier ganze 0,81 Euro. Das ist nochmal 1,20 billiger,als in Thailand. 

Übrigens,ein Glück,dass ich mein Rückflugticket schon gekauft habe,sonst hätte ich keines bekommen. Zum Unabhängigkeitstag verreisen die Vietnamesen nämlich selbst und es wird schier unmöglich ein Flug-,ein Zug-,oder ein Busticket zu kaufen. 
Die Suppe war köstlich und gegessen. Jetzt breche ich auf zum Lenin Park! Nur noch einen letzten Schluck vom grausamen Kaffee und los geht’s!

Nichtrauchen, Nichtdenken… Leben!?

Das Retreat an sich ist dazu da,um zu lernen an nichts zu denken. Für mich gestaltet sich das schwierig. Ich bin es gewohnt zu meinem besten Gesprächspartner zu sprechen. Zu mir! Und das ist: denken. 

Nur mit sehr viel Mühe und Geduld bekomme ich es hin,nur da zu sitzen und nicht zu denken. Ohne Vorbereitung ist das die härteste Herausforderung,die es für mich je gab. 
Nicht einmal das Nichtrauchen fällt mir so schwer,wie das Nichtdenken. Der Kopf ist ständig voll und beschäftigt. Mit blödsinnigen Gedanken. Und Plänen. 
Aber wir wissen ja doch nicht,ob wir diese Pläne brauchen werden, oder ob sich morgen schon etwas so gravierend ändert,dass wir überhaupt keine Pläne mehr machen können werden. 

Ich schreibe täglich. Ich musste wider Erwarten das Handy nicht abgeben. Jedoch bringt es mir hier nichts,da WLAN und WiFi nur für eine Stunde morgens zur Verfügung gestellt wird 🙂 
Aber zum Schreiben ist es gut! 
Außer mir sind hier 8 weitere Teilnehmer. Alle aus den verschiedensten Ecken der Welt. Und alle zusammen hier beim Meditieren. Es wird Englisch gesprochen, aber es ist jeder mehr, oder weniger mit sich selbst beschäftigt. 
Die Mönche sind ständig um uns herum. Wir verstehen sie nicht,und sie uns. Nur Einer,der uns unsere täglichen Aufgaben mitteilt, spricht Englisch. Der Rest scheint uns zu ignorieren. Aber vielleicht ist das ja der Sinn hinter dem Buddhismus. Niemanden ablenken und sich nicht ablenken lassen. Egal woran man gerade ist, es ist in diesem Moment das Wichtigste auf der Welt und dann soll man da jemand anderes hinein lassen? Diesen Punkt sehe ich ein! Er gefällt mir sogar sehr gut. 

Ich muss fegen. Hier übernimmt jeder kleine Aufgaben. Es ist ein wenig,wie im Sommerlager aus der Kindheit,nur eben mit anderen Gedanken.
Wir essen gemeinsam, jedoch in völliger Stille, Reis in dem Saft,in dem dieser eingelegt wird über Nacht. Es ist erträglich. Ich dachte es wird schlimmer. Ich musste meine eigene Wasserflasche mitbringen. Wasser gibt es hier genug. Die Mönche wissen,wie man Diät hält. 
Eine sehr hübsche Studentin aus Belgien macht das Retreat auch und sagt,dass es schon ihr viertes ist. Man sieht ihr die Entspanntheit auch tatsächlich an. Warum sie das macht,habe ich nicht gefragt. Irgendwie habe ich das Gefühl,dass sie nur einem Trend hinterher läuft. Aber wer bin ich,um darüber zu urteilen…
Ich weiß ja selbst nicht, warum ich hier bin. Ich habe vor der Reise gesagt,dass ich zur Ruhe kommen will. In den letzten Jahren hat sich in meinem Leben so viel verändert und doch ist nichts passiert. Aber ich war unruhig. Immerzu und überall. Es lief sehr viel nicht so,wie ich es wollte und ich wusste nicht,wie ich damit umgehen soll. Es geschahen auch sehr viele angenehme Dinge,die ich aber auch nicht sofort einzuschätzen wusste. Man muss eben lernen Dinge für sich selbst zu beurteilen und richtig mit ihnen umzugehen. Man weiß das nicht automatisch von Geburt an. Und die meisten Menschen wissen es bis zum Tod nicht.

Ob ich es nach 4 Tagen hier wissen werde? Ich bezweifle das, aber ich weiß jetzt schon,dass es eine Erfahrung wird,die meine Weltanschauung reicher macht.. 

Züge und Menschen

Deutsche Züge klingen anders. Bis auf S- und U-Bahn saß ich schon lange in keinem Zug mehr. Ich fliege lieber, oder fahre Bus.

Die letzte Zugfahrt, die mir in Erinnerung geblieben ist, habe ich mit einem russischen Zug gemacht.

Alt. Massiv. Noch mit den alten Türen und Klos.

Ein russischer Zug hat 3 Klassen. “Platzkart”, wo sich die Cremé de la Cremé der russischen  Unterschicht zusammenfindet, was oft sehr lustig sein kann. Dann die Coupés, mit 6 Betten in einem Abteil. Und zu guter Letzt die 1. Klasse. Die kenne ich nicht von innen.

Wir, das heißt meine Mutter, Schwester und Bruder waren in einem Coupé-Abteil von Moskau nach Novosibirsk unterwegs zu meinen Großeltern.

Kurz vor Tyumenj kam die Zugbegleiterin und holte meine Mutter nach draußen. Sie kam ganz verstört wieder zurück. Später erfuhr ich den Grund dafür. In der Stadt Tyumenj überfiel in den letzten Monaten die Mafia Züge. Sie sprühten Gas durch die Zugtürlücken und klauten dann das bisschen etwas, was Menschen dabei hatten. Ein Mädchen starb bei solch einem Übergriff.

3 Tage und 3 Nächte fuhren wir. 3 Tage und 3 Nächte schlief meine Mutter nicht. Sie stopfte die Lücken mit Kleidung und Handtüchern, die wir in unseren Koffern hatten. Es ist nichts passiert, aber der Nachgeschmack ist geblieben.

Im letzten Sommer wollte ich mit der Transsibirischen Eisenbahn 15 Tage durch Russland reisen. Aber zum einen fehlte mir die Zeit, zum anderen haben alle um mich herum versucht, mir diese Idee auszureden. Ich mache es ganz sicher noch.

Ich entschied mich für einen 14-Stunden-Flug nach Thailand, der gefühlt, wie 15 Tage Transsib war.

Thailands Züge klingen anders. Oder besser, sie klingen gar nicht. Sie sind schnell und modern. Und immer voll. Genauso, wie die männlichen Subjekte dieses Landes.

Die russischen hört man und sieht man. Die deutschen gleiten leise in die Bahnhöfe.

Es ist ein bisschen, wie bei den Nationalitäten. Die Russen sind laut und nicht zu übersehen, aber melancholisch und träge. Die Thais sind leise, modern mit ihren eingebauten Fernsehern in den Wagons, die rund um die Uhr Werbung zeigen, und die Deutschen sind ordentlich, ruhig und meckern nur ganz leise, wenn ihnen etwas nicht passt.

 

Das, was mir am Zufahren so gefällt, ist die Tatsache, dass man Menschen kennenlernt. Und sich selbst ein bisschen auch. Denn vor allem in russischen Zügen lernst du lange Zeit und in schlechten Bedingungen zurecht zu kommen. Wie ein Überlebenskampf. Wer das schafft, verdient einen Orden. Aber man lernt wirklich echte Menschen kennen. Die mit dir ihren Vodka teilen und du mit ihnen die Piroschki, die du bei der Babuschka am Bahnhof gekauft hast. Und du wirst nicht drumherum kommen. Der Ablauf wird genauso sein und du wirst dich für den Rest deines Lebens daran erinnern!